Sultan Qabus schlägt ein Brücke
Von der Welt nahezu unbemerkt, ist Sultan Qabus von Oman zur Schlüsselfigur im diplomatischen Tauziehen zwischen Washington und Teheran avanciert. Der grosse Atomdeal ist vertagt worden. Am Hof des Sultans, gelegen auf einer Superjacht, herrscht bis auf weiteres Hochbetrieb.
In der Mitte der Mina Qabus, des Hafens von Maskat, liegt ein 155 Meter langes Schiff. Keiner der Cruise Liner, die hier zu Landgang und Gala im Royal Opera House mit seinem Orchester von 120 Tonkünstlern anlegen. Im Januar gastiert die Mailänder Scala mit Verdis «Falstaff». Das Schiff aber trägt den Namen «Said» und ist der bevorzugte Wohnsitz des Sultans Qabus bin Said al-Said, geboren 1940, seit 44 Jahren absoluter Herrscher über gut zwei Millionen Staatsbürger mit einer knappen Million Ausländern an Personal.
Wo sind wir? Keine Frage, die omanische Hauptstadt liegt an der Küste Südarabiens. Doch der Blick über das Wasser, das sich vor Maskats 50 Kilometer langer beach front hinbreitet, verliert sich nicht, wie es unsere geografische Intuition eingibt, in der südlichen Weite des Indischen Ozeans. Im Gegenteil schauen wir pfeilgerade gen Norden und jenseits des Golfs von Oman mitten hinein ins südostiranische Belutschistan. An seiner Ostspitze stößt das Sultanat fast auf den Längengrad der Westgrenze Pakistans vor, dessen Hafenstadt Gwadar von 1783 bis 1958 unter omanischer Herrschaft stand. Noch Omans westlichste Grenzmarke liegt weiter östlich als Teheran. Sind das nicht Indizien für eine spezielle arabische Perspektive? Oman liegt zudem an der Straße von Hormus, vor dem Eingang des Arabisch-Persischen Golfs, durch den der tiefste politische Graben im Mittleren Osten verläuft.
Verbündeter Washingtons Auch ohne Zutun unliebsamer arabischer Nachbarn im Rücken hätte das Wüstenreich von achtfacher Fläche der Schweiz seine Bewohner aufs Meer hinaus und fernen Küsten entgegengetrieben. Von 1840 bis 1856 lag die Hauptstadt des Sultanats Oman und Sansibar (1698–1861) auf der ostafrikanischen Gewürzinsel, bis beide Thronanwärter an den 3924 Kilometer voneinander entfernten Ufern nichts mehr vom anderen wissen wollten.
Sultan Qabus regiert heute ohne Opposition. Ein Bruttoinlandprodukt von 30 000 Dollar pro Kopf, größtenteils aus dem Erdöl, erlaubt es ihm. Korrupte Minister sitzen im Gefängnis. Die rückwärtsgewandte Herrschaft seines Vaters Said bin Taimur beendete er in einem Palastcoup, bei welchem der Sechzigjährige nach 38 Amtsjahren sich selbst in den Fuß schoss, um anschließend seine letzten zwei Lebensjahre in einer Suite des Hotels «Dorchester» in London zu verbringen. Die nach kurzer Zeit kinderlos aufgelöste Ehe des Sohnes blieb dessen einzige. Dass nach der 14. Generation der Dynastie seine Linie erlöschen wird, wirft mehr Fragen auf als das Leben unter Südarabiens gutem Herrscher, der auch unter den Herrschern der Nachbarstaaten allseits Achtung genießt.
Schon im irakisch-iranischen Krieg der achtziger Jahre hatten seine Diplomaten Waffenstillstandsgespräche vermittelt. In den zwei Amtszeiten George W. Bushs reiste Vizepräsident Dick Cheney dreimal zu Qabus nach Oman. Schon 2008 war das Hauptthema Iran. Der aufrechte Verbündete Washingtons, einst auf gutem Fuß mit dem persischen Schah Reza Pahlevi, war nun im August letzten Jahres erster Staatsgast des zwei Monate davor gewählten iranischen Präsidenten Hassan Rohani und traf in Teheran – bis heute als einziger arabischer Staatschef außer Assad – auch Revolutionsführer Chamenei. Im Gegenzug besuchte Rohani im März als erstes arabisches Land Oman. Omans Außenminister Yusuf al-Alawi, im Amt seit 1982, begleitet die internationalen Verhandlungen zum iranischen Nukleardossier seit ihrem Beginn, war in Maskat am 9./10. November Gastgeber des Treffens von Staatssekretär John Kerry mit seinem iranischen Amtskollegen Dschawad Sarif und der EU-Kommissarin Catherine Ashton. Ergebnis der Verhandlungsrunde vom Montag in Wien, wo er nicht fehlen durfte: «substanzielle Annäherung» und eine Verlängerung des Pokers bis Jahresmitte 2015.
Oman als Mitglied des Golf-Kooperationsrats GCC, dem die sechs arabischen Golfanrainer angehören, hat offene Türen auch in Riad, bei den Erzrivalen der Islamischen Republik Iran. Die strategischen Bedeutungseinbußen der Saudis derweil sind ebenso unübersehbar wie schon etwas länger die Risse im GCC, der vom Streit über Syrien und den Irak gelähmt ist. Anders als seine Amtskollegen hat sich Qabus aus diesem Inferno herausgehalten, aus Syrien von Anfang an. Zum Projekt der übrigen GCC-Staaten, in einer Flucht nach vorn den Rat zur Union auszubauen, erklärte er vor einem Jahr, gegebenenfalls werde Oman die Gemeinschaft verlassen.
Oman, das darf man nicht vergessen, ist das einzige Land mit Staatsreligion Islam, dessen Bürger weder Sunniten noch Schiiten sind. Sie sind Charidschiten, wörtlich «Austretende». Seit dem Jahr 658 gingen sie eigene Wege. Qabus garantiert in seinem Land freie Religionsausübung, ein Unikum auf der Arabischen Halbinsel, und hat unlängst einer von 28 christlichen Kirchen in Maskat eine neue Orgel gestiftet. In ihrer lange geprobten Sonderrolle, bis heute von den politischen und religiösen Autoritäten der Nachbarstaaten toleriert, bauen die Omaner weiter an der Brücke über den Arabisch-Persischen Golf.