Das Hässliche an der Farbe des Gesichts

Von Georg Brunold, Nairobi (WORLDMUSIC, © Tages-Anzeiger 31.03.2005)

Kein Zweifel, ihr Gesicht ist Menschen wichtig. Doch kein weiteres Merkmal wäre darin zu entdecken, das an Bedeutung dem Helligkeitswert seiner Farbe gleichkommt? Ganz so verhalten sich noch immer viele Frauen in Afrika und anderswo. Europäern lässt sich oft kaum begreiflich machen, was es mit der Farbe des Gesichts, das ja nicht etwa zu grün ist oder zu gelbstichig, für eine existenzielle Bewandtnis haben könnte.

Schon dass sie die Sonne scheuen wie der Teufel das Weihwasser, und das sogar an kühlen Tagen, geht bei uns im Norden manchen über den Verstand. Aber man denke doch: alle unsere Sonnenfrischler, die fÜr ihre jung und fit erhaltende Bräune mit teuren Strand- und Wintersportferien und mit hartnäckigen Selbstmisshandlungskuren im Solarium bezahlen! Nehmen wir an, in unseren Breiten hätten wir eine bestimmte hinterhältige Nebelsorte, die jeden mit so viel Aufwand braun Gebrannten binnen Stunden in ein übernächtigtes Bleichgesicht zurückverwandeln würde. Wie viele von den Bräunungsstudiokunden verliessen in solchen Nebelstunden ohne Not das Haus?

So halten es Afrikanerinnen mit dem Beach, wo man zuschauen kann, wie ihre Farbe dunkler wird, und deshalb auf die Gesellschaft mancher von ihnen zu verzichten hat. Bis hierhin wäre vielleicht alles kapiert und akzeptiert. Man kennt Ähnliches aus asiatischen Gesellschaften, wo das helle Gesicht eine Frage des Standes, unter Umständen noch der Kaste ist. In ländlichen Gebieten Arabiens, im Jemen etwa, kommt ein sonnengebräuntes Gesicht nur für eine Bäuerin in Frage. Wer vom schönen Geschlecht nicht mit den Händen arbeiten muss, lässt das schneeweisse Gesicht davon zeugen. Als Sonnenschutz kann sogar die Vollverschleierung willkommen sein.

Entschieden weiter geht der Griff zur Bleichungscrème, deren aggressive Chemikalien die Haut nachhaltig schädigen (siehe Michael Jackson). Dabei wünscht kaum ein Afrikaner seiner Frau ein helleres Gesicht. Hier in Ostafrika sind es Männer aus den Exilgemeinschaften Südasiens, bei deren Wahl der Mätresse die Tönung des Gesichts den Ausschlag gibt. Doch auch eines Europäers wegen, der meist davon nichts weiss, greifen manche zur Bleichungscrème. Natürlich würde keine es eingestehen, die erniedrigende Gepflogenheit gilt als Beweis der Dummheit anderer.

Schwarz ist schwarz und dagegen nicht viel auszurichten. So grassiert das Bleichen vor allem unter den «half-castes», die man deutsch einst Halbblut nannte. Halb volle Gläser erscheinen Unzufriedenen gern halb leer, und wer verhältnismässig hell geraten ist, darf keinesfalls um eine Spur noch dunkler werden. Die grösste Kundschaft hat die Bleichungsmittelbranche deshalb in Gesellschaften, wo die Farbskala stufenlos alle Töne umfasst und der dadurch angezeigte soziale Rang ebenso viele Nuancen aufweist: zum Beispiel in Brasilien, doch auch in Küstenstädten Westafrikas, wo Europäer seit 500 Jahren Samen deponierten, oder in Angola und Moçambique, wo das von der ehemaligen Kolonialmacht Portugal zurückgelassene kapverdische Mestizenpersonal bis heute regiert und ein Rassismuserbe brasilianischer Art kultiviert.

Für die im mittleren Segment der Skala führt kein Weg nach unten, da man sie dort als vom Karren gefallene Möchtegernbessere empfinge. Der Weg nach oben stellt höchstenfalls Karrieren von Taglöhnerinnen, aber meist keine Aufnahme in der höheren Gesellschaftsetage in Aussicht. Das Dilemma jener im mittleren Segment bliebe das gleiche, selbst wenn eines Tages alle Schwarzen weiss und alle Weissen schwarz aufwachten.