Komoren oder eine Krankheit namens Politik
Zeit für Weltmusik vom Ende der Welt? Vielleicht nicht genau von dort, aber mitten aus der Strasse von Moçambique, die Madagaskar von der afrikanischen Landmasse trennt, und wo die Komoren liegen.
Der Anblick der vulkanischen Kegel, wie sie aus dem Sockel der schwarz gleissenden Felsküsten und Strände aufsteigen, hat etwas Betörendes. Nähert sich das Flugzeug, sieht man deutlicher, wie die Palmen im rechten Winkel aus den steilen Flanken wachsen, wie giftgrün gesträubte Haare; so stecken auf Farbstiftzeichnungen kleiner Kinder die Bäume in den Berghängen.
Von den vier Inseln Grande Comore, Anjouan, Moheli und Mayotte ist Letztere ein Département Frankreichs mit dem 120 000 Angehörige zählenden Volk der Mahorais, verstärkt durch den Zuzug von etwa 15 000 Komorern. Die übrigen drei bilden die Union des Comores, das südlichste Mitglied der Arabischen Liga, wo die etwas über 600 000 Insulaner ein arabisch angereichertes Kiswahili-Kreol sprechen.
In einem französischen Restaurant gibt es vorzüglichen Lobster an Vanillesauce. Der Aussenwelt sind die Komorer sonst vor allem durch ihre Geschichte von über zwanzig Putschs und Putschversuchen seit der Unabhängigkeit von 1975 bekannt. Ist es ein ganz gutes Zeichen, dass derzeit so wenig von ihnen zu hören ist?
Eine einzige Meldung lief in diesem September über den Ticker einiger internationaler Nachrichtenagenturen: eine Pressemitteilung des US-Schatzamtes, wonach eine saudiarabische Stiftung auf den Komoren al-Qaida unterstützen soll.
Die Komorer selber beliefern unterdessen weiterhin die Parfümindustrie mit 80 Prozent ihres globalen Bedarfs an Ylang-Ylang-Ölen, exportieren etwas Vanille und Gewürznelken, womit sie es aber gegen die Konkurrenz auf Madagaskar und Sansibar schwer haben.
Ansonsten haben die Komorer bedenklich wenig zu tun. Das ist eine Ursache und teils vielleicht auch eine Wirkung davon, dass ihr Staat seit Jahr und Tag als weltgrösster Empfänger internationaler Entwicklungshilfe pro Kopf der Bevölkerung gilt.
Ein Zugeld sind die Überweisungen von 150 000 bis 200 000 Exilkomorern, die meisten von ihnen in und um Marseille zu Hause, der eigentlichen Hauptstadt der Komoren, die ja ihrerseits gewisse Züge eines Archipels hat. Laut der letzten Meldung der «Integrated Regional Information Networks» der Uno vom 18. August gehen die zu Hause Gebliebenen wie eh und je dem ihnen allen gemeinsamen Beruf nach: der Politik. Das heisst, sie verhelfen dem Internationalen Währungsfonds zum obligaten Verdruss und vereiteln überfällige Wirtschaftsreformen.
«Chaque Comoriens est politicien», und Politik ist bekanntlich ein kontroverses Geschäft. Wider deren Natur kann es nicht sein, wenn bei 250 000 registrierten Wählern die Zahl politischer Parteien zwischen zehn und zwanzig schwankt wie auf den Komoren, die seit 2002 vier Präsidenten, Regierungen und Parlamente haben: Jede der drei Inseln ist ein Staat, nicht zu vergessen die Zentralgewalt der Union.
Nachdem die ehemalige République fédérale islamique des Comores 1997 durch die Sezession der beiden Inseln Anjouan und Moheli auseinander gefallen war, arbeiteten Unterhändler der Afrikanischen Union (AU) fünf Jahre, um den Archipel in der neuen Union politisch wieder zusammenzuschweissen. Deren Parlament wurde vor einem halben Jahr erst, im April, gewählt, und seitdem sieht sich Präsident Azali Assoumani unter den 33 Gesetzgebern einer soliden Oppositionsmehrheit gegenüber. Die Politik kann auf den Komoren also weitergehen. Die AU fand allerdings, deren politisches System koste zu viel Zeit und Geld – jedenfalls den Rest der Weltgemeinschaft.