Friedensschlagzeilen. – Weltmusik fürwahr
Die Zahl der Kriege auf dem Planeten nimmt ab, ebenso die globale Gesamtzahl der Opfer von Kampfhandlungen: Die Fortsetzung des Trends, der seit bald zehn Jahren anhält, bestätigen auch neueste Studien zu den Entwicklungen im vergangenen Jahr 2003. Das Stockholm International Peace Research Institute (Sipri), dessen «Jahrbuch 2004» diesen Monat erscheinen wird, zählt für 2003 weltweit 19 «grössere bewaffnete Konflikte», gegenüber 20 im Vorjahr. 1991, zwei Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer, waren es 33 und 1995, auf dem Höhepunkt der Turbulenzen nach dem Ende des Kalten Krieges, sogar 44.
Mit Angola, Ruanda, Somalia und Assam (Indien) verschwanden vier Krisenherde 2003 von der Liste. Sipri-Kriterium für einen «grösseren bewaffneten Konflikt» ist eine Mindestzahl von tausend Toten – direkte Opfer von Kampfhandlungen – binnen Jahresfrist. Drei neue kamen hinzu: der Irak, Liberia und der Sudan (Darfur). Auf den Mittleren Osten und auf Afrika entfielen je zwei weitere Konflikte: Israel – Palästina und der türkisch-kurdische Krieg sowie Algerien und Burundi. Europa ist mit Tschetschenien im Kaukasus vertreten; Asien mit acht Konflikten von Pakistan und Indien über Nepal, Sri Lanka, Burma bis nach Indonesien und zu den Philippinen. In Amerika führt Sipri nebst Kolumbien und Peru den «Krieg» der USA gegen al-Qaida auf. Nur gerade zwei dieser Konflikte sahen zwei beziehungsweise mehrere Staaten am Werk: der Kashmir-Konflikt mit Pakistan und Indien sowie der Konflikt zwischen dem Irak und der multinationalen Koalition der US-amerikanisch angeführten Intervention.
Globale Kriegsopferzahlen berechnet das Human Security Centre der kanadischen University of British Columbia im Rahmen des Projekts «Human Security Report», den das Centre in Zusammenarbeit mit einer grossen Zahl von Partnern erstmals gegen Jahresende 2004 herausgeben will. Als Vorbild wird der «Human Development Report» der Uno genannt. Als Gesamtzahl direkter Opfer von Kampfhandlungen weltweit gibt das Centre eine Schätzung von 15 000 für 2002, die wegen des Irak-Kriegs für 2003 auf 20 000 anstieg. Das ist ein Bruchteil der Zahl, deren jährliche Werte in den Neunzigerjahren, zum Ausklang des Weltkriegsjahrhunderts, zwischen 40 000 und 100 000 schwankten.
Wird die Welt im neuen Jahrhundert laufend sicherer? In den gegebenen Zahlen sind Opfer kriegsbedingten tödlichen Elends nicht eingeschlossen: nicht die zwei bis drei Millionen Menschenleben, die die Folgen von 21 Jahren Bürgerkrieg im Süd- sudan forderten, nicht die zwei bis drei Millionen, um die im östlichen Kongo während der sechs Kriegsjahre 1997 bis 2002 die normale statistische Sterblichkeit übertroffen wurde. Auch die 800 000 Ruander, die 1994 während 100 Tagen massakriert wurden, sind unter den angeführten Kriegsopfern nicht mitgezählt, ebenso wenig Zehntausende von Opfern heute in Darfur.
Die globale Kriegsstatistik beleuchtet mit ihren guten Nachrichten wieder einmal einen skandalösen, obschon nicht so neuen Aspekt unserer modernen Staatenwelt: Zwar ist seit dem letzten Weltkrieg die Weltgemeinschaft mit ihren Organen der Diplomatie und Instrumenten des Völkerrechts bemüht, den Krieg in Bann und Acht zu legen. Aber eine Aggression durch einen äusseren Feind ist bei weitem nicht das Schlimmste, was Menschen in ihrem Lande angesichts der massenmörderischen Energie eigener Herrscher widerfahren kann.
Man möchte das Problem vermutlich gerne anders lösen, mit einer Art von Polizeinotruf gewissermassen. Doch das Friedensforschungsinstitut Sipri schliesst einstweilen, alle Erfahrung in Bürgerkriegsländern zeige, dass den Frieden, der sich nicht erzwingen lasse, nur ein nachhaltiges auswärtiges Engagement bringen könne.