Am Sonntag war Weltflüchtlingstag

Von Georg Brunold, Machakos (WORLDMUSIC, © Tages-Anzeiger 24.06.2004)

Letzten Sonntag, 20. Juni – wussten Sie das ? – war Weltflüchtlingstag. Das ist gut so, denn hätten Sie sonst gewusst, dass 2003 die Zahl der Asylgesuche in der EU gegenüber dem Vorjahr um nicht weniger als 22% zurückging? (In Grossbritannien um 41%!) In 36 Industrieländern, darunter Deutschland, Frankreich, USA, Kanada, hat diese Zahl laut dem Uno-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) damit den tiefsten Stand seit 1997 erreicht.

Halten Sie das für einen Erfolg und, falls ja, für ein Verdienst der erstarkenden rechtspopulistischen Parteien? Jedenfalls waren es 2003 in der EU insgesamt nur mehr 288 100 Gesuche – bei einer Bevölkerung von 400 Millionen.

Prognosen lassen derweil bis in die zweite Jahrhunderthälfte einen Rückgang der Bevölkerung Deutschlands von 83 auf gegen 65 Millionen erwarten.

Wissen Sie, wie viele Millionen Menschen in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts als Wirtschaftsflüchtlinge Europa verliessen? Der Artikel, der mir am Weltflüchtlingstag in der kenyanischen Stadt Machakos in die Hände kommt, sagt es mir nicht. Er sagt dagegen, dass es auf der Welt nur sehr wenige Menschen gibt, die nicht bereits in den drei letzten Generationen ihrer Vorfahren auf Migranten stossen würden. Aber das wissen Sie wohl selber.

Der Artikel gibt eine Vorstellung von den enormen Zahlen der Flüchtlinge auf dem afrikanischen Kontinent selber, wo gemäss dem UNHCR im Jahr 2002 einige der bürgerkriegsgeschwächten Länder die schwerste Last zu tragen hatten, so: Kongo mit 400’000, der Sudan mit 287’000, Äthiopien mit 115’000 Migranten. (Von den vielen Millionen im Land Vertriebener ist dabei nicht die Rede.)

Weiter beherbergten nach diesen Zahlen: Algerien: 150’000, Guinea: 180’000, Kenya: 220’000, Sambia: 250’000 Flüchtlinge. Das sind alles Länder mit sehr viel kleineren Bevölkerungen als die grösseren der westeuropäischen Länder.

Die höchste Zahl von Flüchtlingen hat mit 690 000 derzeit Tansania, ein freundliches Land mit äusserst grosszügigen Einbürgerungsgesetzen, die es erlaubten, die ruandischen Flüchtlingsheere von 1994 sukzessive durch Eingliederung in die landeseigenen Hutu-Gemeinschaften zu reduzieren.

Wussten Sie, dass die USA von 1820 bis 1993 nur gerade 418’000 afrikanische Immigranten aufnahm, wogegen 1993 allein 345’425 asiatische? Hätten Sie gewusst, dass immer noch über ein Viertel der 59 Millionen Briten im Ausland lebt?

Was wissen Sie in der Schweiz seit dem Weltflüchtlingstag über die Immigranten in der Schweiz und über Schweizer Emigranten? Lassen Sie es mich wissen, ich werde Ihnen dankbar sein: gbrunold@yahoo.co.uk.

Haben Sie vor dem Weltflüchtlingstag zudem gewusst, dass von den 13 Millionen vom 16. bis zum 18. Jahrhundert über den Atlantik verschifften afrikanischen Sklaven nur gerade 500’000 in den künftigen USA an Land gingen? (Nicht mehr als in Niederländisch Westindien oder nur etwas mehr als doppelt so viele wie in Europa mit Portugal inklusive Madeira und Azoren und mit den zum spanischen Reich gehörigen Kanaren.)

Wohingegen sich 2,5 Millionen im spanischen Imperium, 2,5 Millionen in der britischen Karibik, 1,6 Millionen in der französischen Karibik und 4 Millionen in Brasilien wiederfanden. Rund 2 Millionen überlebten die Fahrt nicht. Das waren zwar keine Flüchtlinge, aber interessant ist es trotzdem und zudem nicht sehr geläufig. Jeder Afrikaner bestätigt das.