Wir alle übrigen Bastarde!
Stick to your own kind! – eine Empfehlung, die nicht in jedem Fall der Weisheit letzter Schluss ist. Es handelt sich um eine Möglichkeit unter vertretbaren anderen. Ganz anderes sieht die Lage derer aus, denen diese Wahl nicht offen steht, für die es nur andere gibt und für die – bei jeder Wahl – nur stick to their kind! gelten könnten. Half-caste werden sie gern genannt, auch in der Weltsprache leicht abwertend (das deutsche «Halbblut» ist auf dem Müll der Rassenideologien gelandet, wo es hingehört, zusammen mit «Mischling», «Halbblütiger» etc.) Half-castes gibt es überall, recht zahlreich auch an vielen Orten, wo ihnen gegenüber niemand die Freiheit hat to stick to them. Wen also hätten diese ihrerseits to stick to? Die Tragik ihrer Lage kann nur unterschätzt werden. Das sie in Wahrheit out-cast sind, Ausgestoßene, wenn auch einer besonderen Art, heißt nicht, dass sie in Frieden gelassen werden. Man bedient sich ihrer.
Stick to your own kind! gilt besonders diktatorisch oft in Gegenden, wo die Situation der Frau miserable ist. Wo Frauen auch in legitimen Ehen den Status von Leibeigenen oder bestenfalls von Personal mit Niedrigstlohn genießen, leben half-caste Frauen ohne jede Form von Vertrag oder gewohnheitsrechtlichem Schutz. Im Geschlechtsleben sind sie Taglöhnerinnen oder, falls auf länger angeheuert, dann auf Zusehen. In Ostafrika zum Beispiel erinnert das Syndrom an die Zeiten des arabisch-indischen Sklavenhandels, wo das Los der erjagten Menschenbeute, wenn sie den Markt von Sansibar erreichte, dem Los des Trägers im Tross der Expeditionen vorzuziehen war. Für den Sklaven wurde ein Preis bezahlt, und mit seinem Geldwert galt es seine Gesundheit und Arbeitskraft zu erhalten; der Träger blieb, wo er zusammenbrach, am Wegrand liegen.
Sollten ausgerechnet half-caste Frauen, denen eine vollwertige Partnerschaft verwehrt bleibt, auf Kinder verzichten wollen? Doch die Zwänge werden nur perfider in der Hierarchie der «Ethnien», «Kulturen», «Stämme» oder was man früher einmal für «Rassen» hielt. Sogar der Weg nach unten ist verbaut, weil man half-caste Kinder schon in der Schule als vom Wagen gefallenes edleres Geblüt fertigmacht. Das zwingt auf den Weg nach oben, den es ebensowenig gibt: Das Kind bleibt half-caste, und die Mutter, die von der höheren Kaste punktuell geduldet wird, nach Lokalität und Tageszeit, zahlt einen skandalösen Preis: Mangels anderer Einnahmequellen bleibt ihr nur, den Körper feilzubieten – dem derzeit einen Mann (eventuell der Kindesvater) oder vielen, in manchen Fällen beides.
Die Leute sind, wozu man sie gemacht hat. Half-castes gleichen den Chimären: zusammengesetzt aus Teilen mehrerer Geschöpfe, von höchst unterschiedlicher Art und ohne Aussicht auf Eintracht untereinander. Im Liebespaar wird sich der Partner an eines dieser Seelenglieder halten, der Frau den Vorzug geben wollen oder aber der Mutter ihres Kindes, dem hellen Gemüt ihres einen Elternteils oder dem dunklen des anderen. Heimgesucht vom Spuk der weiteren Teilhaber, jagt er einem Phantom nach. Wer sich unbeschwert dem ganzen Ensemble gewachsen wähnt, ist ein Spaßvogel, der von allem nichts begriffen hat. Auch Chimären übrigens sind da und dort im Kollektiv anzutreffen, doch ohne den Luxus einer kollektiven Identität. Da keiner sie akzeptieren kann, sind sie die letzten, die sich selber akzeptieren können, geschweige denn einander gegenseitig. Am wenigstens schätzen sie, wenn jemand sie bedauert. Sie pochen auf ihr eigenes Recht, das ihnen keiner schenkt. Und sie wissen mehr darüber als wir all übrigen Bastarde, denen sie nicht vertrauen dürfen.