Zusammenstoss der Zivilisation (alias Samuel Huntington)

Von Georg Brunold, du NO NEWS, 01.02.2002

Dem heiligen Buch folgt er, sagt der afrikanische Muslim in Guinea, nicht den Arabern. Doch ein Türke auf dem Souk von Tanger, Marokko, bleibt ein Ungläubiger, da er kein Araber ist. (Ein beschnittener Christ ist dort übrigens ein Jude.) Vielleicht der beste Freund von Ariel Sharon unter den Kollegen Staats- und Regierungschefs ist der Muslim Bülent Ecevit, und der mehr oder weniger geheime Erbfeind der levantinischen und mesopotamischen Araber – soweit diese es nicht wechselseitig selber sind – sind die Türken, die Kolonisatoren während Jahrhunderten. Der zweite asiatische Nachbar, die große islamische Nation Iran, ist ein ebenso großer Widersacher religiöser Führungsansprüche jedwelcher Araber oder gar Beschützer Mekkas und Medinas.

In der arabischen Welt war es der Fehlschlag der nachkolonialen nationalistischen Einigungsbestrebungen, was theokratischen Visionen Aufschwung gab. Das Instrument des politisch rechten Glaubens bleibt allerdings der Staat, auch wo Politik und Religion zusammenfallen, und um ihn geht es machthungrigen Geistlichen zuerst und bis zuletzt. Den Groll der vielbeschworenen und noch mehr verunglimpften Massen nährt dennoch weiterhin die Unzufriedenheit nicht mit der übrigen, sondern mit der eigenen Welt. Dagegen fällt den ungeliebten Machthabern nur ein Rezept ein: mitsamt den Ursachen der Misere ihre Verantwortung dafür außer Landes zu befördern, genauso wie ihr gestohlenes Geld – das eine wie das andere zum Feind und großen Satan.

Trotzdem ist der eigene Staat bei aller Prätention nicht gerade Gott persönlich. In den arabischen Ländern, auch in den sogenannt gemäßigten mit Ausnahmen vielleicht Marokkos und Jordaniens, ist er erstens, zweitens und drittens das Militär, und er bleibt wenn nicht der größte, so doch der nächste Feind. Gott, den man ihm füglich streitig macht, entzweit sich daher mit sich selber und stößt genau wie der Islam mit sich selbst zusammen, erklärt auf der einen Seite der Gesellschaft und auf der anderen ihrem Staat den Krieg. Erst infolgedessen auch der übrigen Welt, die für Unzufriedene immer auf der falschen Seite steht. Ihr lässt sich zudem angesichts der eigenen Ohnmacht nur mit unzweifelhafter Überlegenheit entgegentreten und mit allem Recht auf der eigenen Seite. Der Islam kann sich dabei, mangels jüngerer Errungenschaften, nur auf die Vergangenheit und einzig auf sich selbst, sein offenbartes Wort, berufen. Es ist in arabischer Sprache formuliert und darf in keine andere übersetzt werden. Nichtarabische Muslime – in Malaysia, auf den Philippinen, an der Küste Kenias – kurzerhand als Glaubensvasallen zu betrachten muss etwas anachronistisch wirken. Doch den Eliten der Araber, die allesamt weniger als ein Fünftel der Muslime dieser Welt stellen, gilt die übrige islamische Welt als geschenkter Posten. Entsprechend ist ein arabischer Söldner in Afghanistan nicht sehr beliebt, um es milde auszudrücken.

Ägypten, die «Mutter der Welt» und arabische Führungsnation, der gegen ein Viertel aller Araber angehören, erhält derweil als Statthalterin der USA aufrecht, was es im Nahen Osten an Frieden oder wenigstens an Nichtkrieg gibt – für 2,5 Milliarden Dollar jährlich, die nicht aus Saudi-Arabien stammen. Der autochthone Architekt dieser Ordnung, Anwar al-Sadat, während des Weltkriegs einst im Dienst der Muslimbruderschaft für die Deutschen tätig, später Freund Amerikas, inhaftierte nahezu die gesamte laizistische Opposition und gefiel sich als Schutzherr seiner Islamisten, ehe er von deren extremen Kräften ermordet wurde. Mubarak entkam dem Attentat in Addis Abeba von 1995 mit Glück – ein Zeichen in Ägypten, dass Gottes Hand ihn schützt.