Europas Erfinder. Istanbul 2005
Einst Kolonialherren, heute Minderheit, sind die Griechen inzwischen Faustpfand der türkischen Regierung im Kampf um den EU-Beitritt.
Vor dem Zappeion, einem der drei türkisch-griechischen Gymnasien Istanbuls, sehen wir ihn ganz zufällig wieder. Ein dick gefaltetes Pflaster aus Verbandsmull ziert sein bares, sonst tadellos glänzendes Haupt. «Drei Stiche», sagt Mihalis Vasiliades, soeben vom Arzt entlassen, der die Platzwunde vernäht hat. Es handelt sich um den Chefredakteur der «Apoyevmatini», der ältesten und größten griechischen Zeitung Istanbuls. Frango Karaoglan, die Pressesprecherin des griechischen Generalkonsulats, die mich auf Griechensuche durch Istanbul führt, hat mich vor drei Stunden in ihrem Büro mit ihm bekannt gemacht. «Gegen einen dieser Eisenschränke hat er seinen Kopf gerammt», übersetzt, ihm zuvorkommend, Frango Karaoglan. «An der Hauswand», präzisiert sie, «als er aus dem Auto stieg, gegen einen dieser elektrischen Verteilerkasten mit dem Totenkopf drauf und dem Zickzackblitz.» Starkstrom fürwahr. «Wie sagen wir doch hier bei uns», sagt Vasiliades lachend, «in Europa sterben sie durch eine Schicksalslaune; hier leben wir dank einer Schicksalslaune.»
Streng genommen kann so nur ein Grieche in der größten Stadt Europas sprechen. Wer sonst – und wo sonst? – hätte hierzu das beglaubigte Reifezeugnis, wenn nicht ein Nachfahre jener prometheischen Bauern und Seefahrer, Händler und Krieger, Mythologen und Dramatiker, die in alter, vielbesungener Zeit Europa aus der Taufe hoben. Schließlich begnügten sie sich nicht mit einer von zahlreichen entführten Königstöchtern, vom Götterboß Zeus persönlich aus Phönikien nach Kreta verschleppt, um den nördlichen Gestaden des Mittelmeers ihren Namen zu vererben. Als geistige Eigentümer der folgenreichen Erfindung namens Europa, die auch später als ein Kontinent mit einer stattlichen Zahl von Ländern und bös umstrittenen inneren Grenzen auf ihrem schillernden Ruhm beharren sollte, nahmen sie es obendrein auf sich, ihrer Heimat eine Grenze gegen Asien zu ziehen: nämlich hier am Bosporus.
Ziemlich exakt zweieinhalbtausend Jahre ist das her, also wohlverjährt, und zudem darf es defensiven Motiven zugeschrieben werden, Notwehr beinahe, wenn sich unmittelbar nach den Perserkriegen in den Tragödien des Aischylos die gesamte Weltbevölkerung in Griechen und Barbaren zweigeteilt fand. In der Folge, wie auch schon zuvor, abenteuerten Europas erste Kolonisten allerdings recht munter immer weiter über diese von ihnen offenbar eigens zum Zweck der Überschreitung gezogene Grenze hinaus. In ihrer Stadt am westlichen Ufer der Meerenge, die sie laut Herodot, dem Stammvater ihrer Geschichtsschreibung, im Jahr 658 v. Chr. gegründet hatten, würden sie sich auf absehbare Zeit in recht exponierter Lage zu behaupten haben. Hier blieben sie immerhin beisammen und ’stin polis: «in der Stadt», wie es der Name Istanbul besagt.
Mit Frango Karaoglan setze ich die Griechensuche in Beyoglu fort. Zum Mittagessen hat sie mich zu Georgios ins Restaurant Imroz geschickt, doch Georgios ist nicht da gewesen (und das Essen mindestens so türkisch wie griechisch). Am Gymnasium Zappeion pauken dieses Jahr noch fünf Gymnasiasten, fünf von insgesamt 105 an Istanbuls drei griechischen Gymnasien. An neun Primarschulen werden noch 142 türkisch-griechische Schüler unterrichtet. 1959 brachten die Gymnasien und zwei Dutzend Grundschulen noch rund 11'000 Schüler zusammen. Der türkische Staat toleriert private Minderheitenschulen, verweigert aber Ausländern – in den griechischen Schulen zum Beispiel Griechen mit griechischem Paß – den Zugang. Sie bleiben für Schüler türkischer Staatsangehörigkeit reserviert. Zu Gesicht bekommen wir heute keinen, das Zappeion hat Sommerferien.
Istanbul – die größte Stadt Europas? 15 Millionen müßten dazu reichen, oder wollte jemand rechten und als Argument anführen, daß in Istanbul der Bosporus schließlich auch ein asiatisches Ufer habe und die Bevölkerung allein am europäischen Ufer wohl doch nicht an die Moskaus heranreicht? Ein solcher Einwand taucht vielleicht in Rußland auf, wo unter 12 Millionen Moskowitern einige auf denselben Ehrentitel scharf sein mögen. Doch weder lebt der Türke in Üsküdar in einer anderen Stadt als der in Sultanahmet, noch wäre er asiatischer als sein Kompatriot in Fener oder auch nur als der Türke, sprich der griechische Muslim, im griechischen Westtrazien. Und das geflügelte Wort, mit dem Mihalis Vasiliadis eben sein Malheur wegsteckte, war fraglos auf dem europäischen Ufer gesprochen. Strecken wir denn, wenn wir wollen, mit ihm, dem türkischen Griechen, die Segel in diesem Grenzdisput und sehen in Istanbul bis auf weiteres ganz die asiatische Stadt, geeignet, noch Neapel auszustechen: Die wahre mediterrane Perle Italiens pocht seit Jahrhunderten auf ihren Titel, wonach sie und keine andere die einzige Stadt des Orients ohne ein europäisches Wohnviertel ist.
Da in Beyoglu mit Mihalis Vasiliadis bis jetzt nur ein einziger Grieche in Erscheinung getreten ist, halten wir uns einstweilen an griechische Spuren. An Fassaden spüren wir einige griechische Architektennamen auf, Pasadeos und Fotiadis. Auf der Istiklal Cadessi, Beyoglus Hauptschlagader, ist ansonsten weit mehr franco-libanesische Jugendstilpatisserie des Dixneuvième zu bewundern als Monumente der griechischen Geschäftstüchtigkeit, die erst zu Beginn des letzten Jahrhunderts hier richtig Einzug hielt, um dann bis 1955 siebzig Prozent aller Läden zu erobern. Ganze vier davon sollen in griechischer Hand geblieben sein. Frango Karaoglan weist auf den Floristen Sapuntzakis zu unserer Linken, und noch gibt es wenige Schritte weiter Unterwäsche bei Kifidis zu kaufen.
Mit müden Beinen setzen wir uns ins Café Peradox. Pera war der griechische Namen Beyoglus. Nicht daß das Café Peradox unter griechischer Führung wäre. Solche Spielereien mit Namen seien in den letzten Jahren schick geworden, erklärt Frango Karaoglan. In der Tat mehren sich im religiösen Lager um Premierminister Recep Tayyip Erdogan Stimmen, die das laizistisch-nationalistische Staatsdogma Atatürks und seiner noch immer mächtigen Erben bei der türkischen Armee durch Reminiszenzen an den Multikulturalismus des Osmanen-Reichs herauszufordern wagen. Das wirkt außerdem europäisch, und im Hinblick auf die anstehenden Beitrittsverhandlungen ist bei der EU ein wenig multikulturelle Entspannung in der Türkei erwünscht.
So hat sogar die türkische Betreiberfamilie den Namen ihrer Pension von der orthodoxen Kirche gegenüber geliehen: Agia Triada. Den alten Namen hat nicht nur drüben in Sultanahmet die Hagia Sophia behalten, sondern auch andere christliche Kirchen, die allein in Beyoglu mehrere Dutzend zählen. Selbst wenn die Griechen als die ältesten Einwohner dieser Stadt darauf ein besseres Recht geltend machen dürften als die ganz große Mehrheit aller Israeli auf das Territorium ihres Staates, ist es doch weniger die illustre Geschichte der griechischen Kolonisation Kleinasiens, was in der heutigen Türkei mit ihren multiplen Minderheitenproblemen den türkischen Griechen ihren besonderen Stellenwert gibt. Kolonisiert worden ist Kleinasien, heute Anatolien, in allen seinen höchst unterschiedlichen Teilen jahrtausendelang unaufhörlich. Wenn am Bosporus tatsächlich zwei Kontinente aufeinander treffen, dann vor allem in Gestalt zweier Weltreligionen, deren beider Anhänger am Bosporus mindestens die Festigkeit des Glaubens teilen, daß es mit der anderen wenig zu lachen gibt.
Wohl nur das Christentum kommt für den Anspruch auf, wenn anders als iranische oder gar indische Indogermanen die Georgier, Armenier und andere christliche Kaukasier sich selber stets – und heute vielleicht mehr denn je – als Europäer sehen. Wie dann nicht die Griechen! Auch wenn diese, wie Mihalis Vasiliadis, den Boden, auf dem sie stehen, anders als Georgier und Armenier nicht zu Europa zählen. Noch vor weniger als hundert Jahren lebten wohl über drei Millionen Griechen, ein Drittel bis die Hälfte ihres gesamten Volkes, östlich des Bosporus in Kleinasien und rings um den Pontos, das Schwarze Meer. Zur großen Mehrheit stammten sie von Vorfahren ab, die während der vergangenen zwei Jahrtausende niemals in Europa gelebt hatten.
Große Religionen hätten einen langen Atem, so habe ihm letztes Jahr Kanzler Schröder versichert, ja, hier am Sitz des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, im alten Griechenviertel Fener an der Südküste des Goldenen Horns. Es spricht Dositeos Anagnostopoulos, der Pressesprecher des Patriarchates. Für die Repräsentanten der großen Religionen lasse sich das allerdings nur mit Einschränkungen behaupten, setzt der Priester hinzu, der ein Vierteljahrhundert als Mikrobiologe in Deutschland verbracht hatte, ehe er hier ein zweites Leben in Angriff nahm. Dem 270. Patriarchen Bartholomäus I. unterstünden in Istanbul heute noch um achtzig orthodoxe Kirchen. Doch um ihren Geist am Leben zu erhalten, verfüge er über nicht mehr als 35 Priester, fast alle über siebzig Jahre alt. Nachwuchs darf im Land nicht ausgebildet werden, seit 1971 die Theologische Hochschule Halki geschlossen wurde, und Verstärkung durch Ausländer desselben Bekenntnisses ist auf Gastspiele von drei Monaten beschränkt.
Der Ökumenische Patriarch, dessen Gemeinschaft weltweit zwischen 250 und 300 Millionen Gläubige umfaßt, ist für den türkischen Staat der Bischof von Fener, sonst nichts, und in einer orthodoxen Gemeinde, die Pater Dositeos mit 1850 Häupter beziffert, wären 35 Priester sonst nicht eben besonders wenige, sondern im Gegenteil recht viele. Der Generalkonsul Alexis Alexandris dagegen spricht von einer griechischen Wohnbevölkerung Istanbuls, die sich aus türkischen Staatsbürgern und ihren Angehörigen anderer Nationalität auf wenigstens 2500 bis 3000 addiere. Doch der Pater mag ihm nicht so viele geben, und das Durchschnittsalter liege bei über fünfzig.
Kein Wunder also, wenn das Lebendigste an dieser Gemeinde ihr Gedächtnis ist, zumal die schwerwiegenden Probleme der Griechen in der Türkei verhältnismäßig jüngeren Datums sind. Sie hätten 1923 begonnen und nicht etwa schon 1453 mit der muslimischen Eroberung Konstantinopels, darauf legt Pater Dositeos großes Gewicht. Im 17. Jahrhundert erreichte der muslimische Anteil kaum ein Viertel der Stadtbevölkerung von einer guten Viertelmillion und noch im Zensus von 1886 erst gut die Hälfte. Ganz falsch liegt der Pater also sicher nicht. Anzufügen ist jedoch, daß die schwerwiegenden Probleme nicht erst mit dem Lausanner Abkommen von 1923 einsetzten, das als ein Vermächtnis des 1. Weltkriegs die türkisch-griechischen Verhältnisse endgültig regeln sollte, sondern doch wohl mit dem Eroberungsfeldzug, den die Griechen von 1919-22 gegen die türkischen Kräfte unter Mustafa Kemal alias Atatürk unternahmen.
Die türkischen Aspirationen auf einen modernen Staat standen nach dem Zusammenbruch des Osmanenreichs während mehrerer Jahre auf Messers Schneide, standen und fielen mit dem militärischen Genius Atatürks. Infolge der griechischen Niederlage hatte der in Lausanne vereinbarte «Austausch der Bevölkerungen» 1,8 Millionen Griechen «heim» nach Griechenland gebracht und zugleich 0,9 Millionen Türken aus Griechenland «heim» in die Türkei. In Istanbul, von dem Austausch ausgenommen, waren 1924 etwa 120'000 Griechen türkischer Nationalität zurückgeblieben: eine Zahl, die seitdem nicht nur in der Folge weiterer Gewaltausbrüche, sondern kontinuierlich zurückging. 1950 zählten sie noch 67'000. Das hätte eigentlich schon lange eine sanfte, quasi biologische Lösung des Griechenproblems in der Türkei befürchten oder, je nach Blickwinkel, erhoffen lassen. (Die türkische Restbevölkerung im griechischen Westthrazien dagegen wuchs von 80'000 im Jahr 1924 auf 120'000 heute.)
Doch der Haß gab sich nicht ohne weitere Gewalt zufrieden. In der Nacht vom 6. auf den 7. September 1955 wurde Beyoglu zum Zentrum einer türkischen Zerstörungsorgie, die nach dem 2. Weltkrieg im Mittelmeerraum kaum ihresgleichen hatte. Frango Karaoglan war damals fünf, aber noch heute, sagt sie, hat sie die giftige Musik in den Ohren, mit der das Zusammenkehren der Glasscherben für mindestens zwei Wochen die Straßen Beyoglus erfüllte. Am Taksim-Platz, auf Höhrweite, war am Tag der Gewalt eine Konferenz von Interpol im Gange, an der auch Ian Flemming teilnahm. Der Bond-Erfinder, sagt Pressesprecherin Karaoglan, erhielt so die Gelegenheit, live für die «Sunday Times» vom 11. September zu berichten. Nach einer griechischen Bestandesaufnahme betrafen die Zerstörungen jener Nacht: 4340 Läden und Werkstätten, 2000 Wohnungen, 110 Restaurants, 83 Kirchen (3 in Brand gesteckt, 35 geplündert), 27 Apotheken, 26 Schulen, 21 Fabriken, 12 Hotels, 11 Kliniken, 5 Sportclubs, 3 Zeitungsdruckereien, 2 Friedhöfe. 7 Personen verloren ihr Leben. Der Personenkreis der materiell Geschädigten wurde mit 4447 beziffert. Türkisch-nationalistische Vereinigungen hatten in den Tagen davor Stimmung gemacht. Ein Provokateur im türkischen Sold, wie sich später herausstellte, hatte sich als Brandstifter an Atatürks Geburtshaus im griechischen Westthrazien versucht. In den türkischen Meldungen jedoch war es ein Grieche gewesen. Istanbuls Sicherheitsorgane krümmten in der Gewaltnacht keinen Finger – oder aber auf Seiten der Marodeure.
Viele der türkischen Griechen, die zunächst das Weite gesucht hatten, wagten nochmals einen Versuch in Istanbul, ihrer alten türkischen Heimat, allerdings nicht ohne sich zuvor eine zweite Bleibe in Griechenland organisiert zu haben. Noch einmal entspannte sich die Lage, bis dann 1964/65 die türkischen Behörden 40'000 türkische Griechen aus Istanbul deportierten, denen auf dem Fuß 12'000 weitere Griechen anderer Staatsangehörigkeit folgten.
Über zweieinhalbtausend Jahre nach ihrer Ankunft fügt sich das Schicksal von Istanbuls Griechen ganz zum Bild einer modernen postkolonialen Vertreibung der zurückgebliebenen Herrschaften aus der Metropole, auch wenn die Türken ihrerseits einst als Eroberer gekommen und nicht ein Volk unter kolonialem Joch, sondern für fast ein halbes Jahrtausend eine Kolonialmacht waren. Istanbuls Griechen waren – wie Istanbuls Armenier und Juden – eine wirtschaftlich privilegierte Elite. Aber zum modernen nationalen Minderheitenproblem jener höchsten Zuspitzung wird eine solche Elite nicht allein schon durch den globalen Neid und dessen wahrhaft kosmopolitischen Multikulturalismus, sondern erst durch ein Mutterland, für dessen tatsächliche oder angebliche Feindseligkeit sie zu büßen hat.
In Istanbul bleibt deshalb ein weiteres Datum im Gedächtnis, wach gehalten vor allem am Sitz des Ökumenischen Patriarchen in Fener, dessen Haupttor ab dann verschlossen blieb – bis heute. Als sich 1821 im Peloponnes die griechischen Reichsangehörigen gegen die Osmanenherrschaft erhoben, eilte der Patriarch Gregor V. zum Sultan, ihn der Loyalität der Istanbuler Griechen zu versichern. Postwendend wurde er aufgehängt und seine Leiche anschließend in den Bosporus geworfen. Der Legende nach geborgen und provisorisch in Odessa bestattet, wurde ihre Heimführung von der türkischen Regierung bis heute verweigert.
1830, nach neunjährigem Ringen und mit tatkräftiger Unterstützung der europäischen Mächte, hatten die seit der Odyssee daheim geblieben Hellenen westlich der Ägäis den Osmanen ihren eigenen Staat abgetrotzt, das moderne Königreich Griechenland. Seit der römischen Eroberung ihrer Heimat hatten sie darauf gut zweitausend Jahre warten müssen. Die Griechen in Kleinasien, Europas älteste Kolonisten, avancierten damit zur Athener fünften Kolonne, und auch nach dem Lausanner Abkommen von 1923 blieben sie in den wiederkehrenden schweren Verstimmungen zwischen Ankara und Athen eine Geisel der türkischen Regierung. Was in den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren ihre Zahl so rabiat reduzieren mußte, egal wie sie selber sich verhielten, waren türkische Strafen für die Athener Zypernpolitik.
Der nächsten Runde sehen sie nun als Faustpfand im türkischen Poker um die EU-Mitgliedschaft entgegen. Nur in Europa sehen sie eine Zukunft, und dafür sind sie sogar bereit, die Kontinentalgrenze vom Bosporus nach Osten zu verschieben. Hätte sich die Geografie Europas, zumal an den Rändern, nicht stets der Politik ergeben? Die Frage ist bloß, wer und was von ihnen den angesagten fünfzehnjährigen Verhandlungsmarathon physisch überleben wird. Einstweilen bleibt die offizielle Existenz von Istanbuls Griechentum ein endloser Stau hängiger Verfahren um Eigentumsansprüche.
Im Café Peradox bricht Frango Karaoglan auf, hinüber zum europäischen Bahnhof von Sirkeci am Südufer des Goldenen Horns. Dort trifft heute erstmals der neue Expresszug aus Saloniki ein, der künftig Istanbul direkt mit Griechenland verbinden wird. Die Pressesprecherin des Konsulats muß übersetzen und dabei üben für die große Einweihung der lange erwarteten neuen Linie, wenn in gut zwei Wochen, im Rahmen eines ganztägigen Festes, die beiden Transportminister sich in Sirkeci endlich die Hände drücken werden.