Die umzingelten Eroberer. Wer verteidigt den Reichtum der Saudi?
Die Hegemonie der saudischen Erbmonarchie über die Arabische Halbinsel ist noch heute alles andere als unbestritten. Im Norden Saddam und im Süden das Armenhaus Jemen: Die Nachbarschaftsverhältnisse versprechen Ibn Sauds Nachkommen keinen ruhigen Schlaf.
Etwas Einsames mögen sie in verschiedener Hinsicht haben, doch allein sind sie nicht. Nicht etwa nur, weil von der Wohnbevölkerung ihres großen Landes mehr als ein Viertel Ausländer sind. Vom historischen Arabien geistert ein Bild durch viele Köpfe, da zögen sich endlose Wüsteneien hin, noch zu Großvaters Zeiten fast nur Sand, darin, auf ihren Kamelen unaufhörlich in Bewegung, einige Nomaden, Eigentümer von Sonne, Mond und Sternen. Sonst nichts, vom Golf bis zur Rotmeerküste und vom Südrand des fruchtbaren Mesopotamien bis hinunter zum Indischen Ozean. Die Vorstellung ist kaum weniger abwegig als die einer Sahara, die sich hinauf über den algerischen und marokkanischen Atlas bis ans Mittelmeer und an den Atlantik erstreckt und worin ausschließlich Tuareg aufzuspüren wären. Die Ursprünge dieses Bildes von Arabien, so uralt scheinbar wie sein Motiv, wenn nicht vollends außerhalb der Zeit, verlieren sich in der Reiseliteratur des 19. Jahrhunderts, und als Klischee mag es über Bücher Karl Mays oder womöglich Saint- Exupérys seinen Weg in unsere Zeit gefunden haben – die Zeit der Luftfahrt, die einem solchen Bild keine Erfahrung mehr entgegenstellt. Solange als der interkontinentale Personenverkehr sich zur See abwickelte und es deshalb noch Küsten gab, als auch die Pilger noch per Schiff nach Mekka unterwegs waren, lag Arabien in maritimen, der Welt zugewandten Landstrichen, an der Rotmeerküste und am Indischen Ozean, in der Gegend von Maskat und von Aden. Dahinter endete für lange Zeit die Welt, und aus dem tiefen Inneren der Halbinsel war sehr wenig ins Bewusstsein der Außenwelt vorgedrungen, von einem Namen wie Saud zu schweigen.
Wenn aber Nomaden, so schreibt Arnold Hottinger in diesem Heft, sich in größeren Clanverbänden zusammentun und für einmal geeint wissen, dringen sie in aller Regel über die Grenzen ihrer Stammgebiete hinaus in die Umwelt vor. Neun Mann, berichten die einen, nur sechs, sagen andere, und nochmals andere sagen, 23 oder 15 seien es gewesen, die in der Neumondnacht des 15. Januar 1902, bewaffnet mit Schwertern, Speeren und Vorderladern, in die Wüstenstadt eindrangen und im Morgengrauen die Musmak, die kleine Zitadelle von Riad, stürmten. Abdulaziz, Sohn des Abdulrahman, Sohn des Feisal aus der Familie Saud, war damit zu drei Jahrzehnten unablässiger Schlachten um die Vorherrschaft über die Arabische Halbinsel angetreten. Im Bund mit den kriegstüchtigen Ikhwan, der puritanischen religiösen Bruderschaft der Wahhabiten, unterwarf der neue Emir Stamm um Stamm der weiten Binnenräume des Nejd, entriss 1913 den Türken die Golfregion Hasa, womit er sich einen ersten Küstenzugang sicherte. Seine Zugewinne untermauerte er durch eine äußerst resolute und konsequente Heiratspolitik. Zu Beginn der zwanziger Jahre brach er nach Westen auf und vertrieb schließlich die Haschemiten aus der westlichen Küstenregion Hejaz, die bis zum Zusammenbruch des Osmanischen Reiches 1918 ebenfalls der Hohen Pforte in Istanbul tributpflichtig gewesen waren und nach dem Ersten Weltkrieg von der britischen Mandatsmacht mit den Thronen in Bagdad (neuerdings Irak) und Amman (neuerdings Transjordanien) vertröstet wurden. 1926 wurde Abdulaziz – der Außenwelt inzwischen als Ibn Saud bekannt – in Mekka zum König des Hejaz ausgeru- fen. Sein Herrschaftsgebiet reichte nun vom Golf bis ans Rote Meer. 1932 folgte die Proklamation des saudi-arabischen Königreichs.
Die komplizierten Gegebenheiten der Halbinsel ließen ihn bald darauf an Grenzen stoßen. Die Hegemonie der saudischen Erbmonarchie ist noch heute alles andere als unbestritten, und angesichts der Nachbarschaftsverhältnisse kann die Zukunft Ibn Sauds Söhnen und Enkeln keinen ruhigen Schlaf in Aussicht stellen.
Dafür bräuchte es nicht einmal einen Nachbarn wie Saddam Hussein und seine Vision einer arabischen Großmacht östlich von Suez, wo ein echter nationaler Führer wie er oder vielleicht wie Saladin über die demnächst fünfzig Millionen Araber des Irak, Kuwaits und Saudi-Arabiens gebieten und nahezu die Hälfte der bekannten Erdölweltreserven kontrollieren würde. Sogar südlich der irakischen Grenze finden sich die Saudi in der Minderheit. Zwar umfasst ihr Territorium ungefähr siebzig Prozent der Halbinsel. Aber von einer Gesamtbevölkerung von wiederum rund fünfzig Millionen beträgt Saudi-Arabiens Anteil nur rund 23 Millionen. Beunruhigend daran ist, dass von den übrigen 27 Millionen nahezu siebzig Prozent auf den einen Nachbarn Jemen entfallen, und zieht man von der saudi-arabischen Wohnbevölkerung die rund sechs Millionen Ausländer (26 bis 27 Prozent der Wohnbevölkerung) ab, ergibt sich, dass die 17 Millionen Saudi-Araber schon allein den 19 Millionen Jemeniten gegenüber in der Minderzahl sind – ein Faktum von großem Gewicht, das zwar nicht in Saudi-Arabien, aber in der Außenwelt gerne übersehen wird.
Südarabien, seit alters auch Arabia felix genannt, Jemen, die britische Kronkolonie Aden und die Protektorate an der Südküste – mit dem Erbe seiner antiken Hochkultur, wovon der Landbau auf den tausendjährigen Terrassen weitgehend intakt geblieben war, mit seiner gestandenen urbanen Kultur und seiner in die tausendundein Nächte zurückreichenden Seehandelstradition hatte Südarabien noch vor achtzig Jahren einen Entwicklungsvorsprung von Äonen. Doch die kulturellen Gegensätze auf der Halbinsel, die kaum markanter sein könnten, prägen auch das Innere Saudi-Arabiens selber. Mit der Eröffnung des Suezkanals 1869 hatte auch der Hejaz einen rapiden Aufschwung erlebt, die alten religiösen Zentren Mekka und Medina lagen nun unweit vom neuen Seeweg, der vom Mittelmeer durchs Rote Meer über Aden und Maskat, die Tiefseehäfen am Indischen Ozean, nach Indien führte. An dem osmanischen Erbe des in den zwanziger Jahren eroberten Hejaz, das einen gemäßigten sunnitischen Islam und eine weltliche Idee politischer Herrschaft verkörperte, sollten die saudischen Eroberer während Jahrzehnten zu verdauen haben.
Jemens Ackerbauern, selbst wenn sie Dialekte der gleichen Sprache sprechen und die Klimaunterschiede nicht ganz so groß sind, trennt von viehzüchtenden Beduinen nicht viel weniger als Kalabresen von Eskimos, die einen sind das Gegenteil der anderen. Auch hier milderte der Islam als gemeinsame Religion den Kontrast nicht, im Gegenteil: Der jemenitische Monarch, der als weltliches und geistliches Oberhaupt den Titel Imam trug, galt in seiner schiitischen Gemeinschaft der Zayiditen als Stellvertreter Gottes auf Erden – für die wahhabitischen Saudi ein Inbegriff von Häresie, und dies nicht in Persien oder Afrika, sondern nebenan auf dem heiligsten Boden der Halbinsel. Das wehrhafte Volk in seiner schwer zugänglichen Gebirgswelt – auch Jemen war bis 1918 nominell unter osmanischer Hoheit, aber nie nachhaltig kolonisiert – bereitete den Saudi in ihrem Expansionsdrang ebenso Kopfzerbrechen wie während Jahrhunderten dem Sultan in Istanbul und seit 1839 den Briten, die an der Südküste um ihren strategischen Hafen fürchteten – nach der Eröffnung des Suezkanals von 1869 ein Dreivierteljahrhundert einer der wichtigsten der Welt.
Dazu kam, dass der jemenitische Imam wohlbegründete Ansprüche auf Teile des Asir erhob, den Ibn Saud 1920 besetzte, zehn Jahre später annektierte und in weiteren Feldzügen 1932 und 1934 um die nordjemenitischen Städte Najran und Jizan erweiterte. Die regenreiche südwestliche Bergprovinz Asir, wo immerhin gegen ein Fünftel der saudi- arabischen Bevölkerung lebt, ist heute das einzige Gebiet des Königreichs mit einer nennenswerten ländlichen Bevölkerung. Die große Mehrheit der knapp fünfzehn Prozent Saudi, die nicht in Städten leben, lebt in Asir. Wie sehr dort die Vertreter des Zentralstaates, die Abgesandten seines religiösen Establishments und sein ausländisches, hauptsächlich ägyptisches Personal in den Schulen und im Gesundheitswesen, noch bis über die sechziger Jahre hinaus als Fremdherrschaft erlebt wurden, davon hat das wunderbare kleine Buch von Ahmad Abodehman, Der Gürtel, Geschichten zu erzählen, die tief blicken lassen. Asir, dessen angestammte Bevölkerung den Jemeniten so viel näher verwandt ist als den Wüstensöhnen des Nejd, ist ein Unruheherd geblieben. (Aus Asir übrigens stammten auch die meisten der fünfzehn saudischen Attentäter vom 11. September 2001.)
Die meisten der ungezählten Kleinstaaten an den südlichen und östlichen Küsten der Halbinsel hatten schon zu osmanischen Zeiten engere Bindungen ans British Empire gesucht und, mit der Ausnahme Omans, früher oder später Protektoratsstatus akzeptiert: schon 1853 die Trucial States der «Piratenküste» (der sogenannte Trucial Oman, die sieben Scheichtümer der heutigen Vereinigten Arabischen Emirate), Bahrain 1861, Kuwait 1914, schließlich Katar 1934 und von 1839 bis 1967 die rund zwei Dutzend Sultanate, Emirate und Scheichtümer der britischen Protektorate um Aden, ab 1959 die Federation of South Arabia (deren Banknoten noch in den frühen achtziger Jahren in der kommunistischen Volksrepublik Südjemen im Umlauf waren). Obschon der Schutz der Krone primär die britischen Seewege nach Indien zu sichern hatte, galt er angesichts der saudischen Expansion – wie im vorausgegangenen Jahrhundert den Türken gegenüber – als das kleinere Übel und wurde in sukzessive erweiterten Vertragswerken ausgebaut.
Das Ärgernis dieser christlich-imperialen Fremdpräsenz auf der Halbinsel (nebst einem leicht verschlafenen Foreign Office in London) war der Grund, dass Ibn Saud 1933 seine erste Ölkonzession an Standard Oil of California vergab. Der Zweite Weltkrieg verzögerte den Goldrausch, der den gesamten Mittleren Osten in seinen Strudel reißen und rings um dessen ergiebigste Geldquelle Saudi-Arabien neu gruppieren sollte. Aber die Weichen waren gestellt, und künftig wären es ausgerechnet die ultrakonservativen Saudi, die der Neuen Welt den Weg ins Innerste Arabiens zu bahnen hatten. Nach Kriegsende suchte jener spezifische Westen von jenseits des Atlantiks die Halbinsel in Springfluten heim und katapultierte die weltabgeschiedenen Nomaden des Nejd binnen eines halben Menschenlebens aus den Zeiten des Propheten an die Schwelle des 3. Jahrtausends.
Der Flug durch die Weltzeiten erforderte Personal, und 1990, vor dem Golfkrieg, befanden sich im Land rund fünf Millionen Ausländer, davon: eineinhalb Millionen Jemeniten, eine halbe Million Ägypter, 400 000 Pakistaner, fast ebenso viele Inder, 300 000 Philippiner, je 150 000 Bangladeshi und Thai, 130 000 Türken, 30 000 US-Bürger, 25 000 Europäer und 17 000 Koreaner. Was von der introvertierten Gesellschaft der Saudi nur als tödliche Bedrohung ihres ebenso fragilen wie rigiden Traditionsgefüges wahrgenommen werden konnte, war für die Nachbarn an der Südküste des Persisch-Arabischen Golfes seit alters ihre Daseinsberechtigung: nämlich der Austausch mit Fremden. Schon Sindbad der Seefahrer, so heißt es, war der Spross einer Händlerfamilie in Basra, der südirakischen Hafenstadt am Mündungslauf des Schatt al-Arab, wenige Kilometer vom Golf. Auch die Seehäfen von Kuwait bis nach Dubai lebten immer Persien und dem indischen Subkontinent zugewandt, mit dem Rücken zu der unwirtlichen Nomadenwelt des Nejd und, südlich davon, der Großen Arabischen Wüste, die auch das Leere Viertel heißt. In den Scheichtümern am Golf beträgt der Anteil der Ausländer, die dort nie Fremde waren, nicht wie in Saudi-Arabien 26 bis 27 Prozent, sondern: in Kuwait 62, in den Vereinigten Emiraten 75 und in Katar 90 Prozent. In Bahrain mit seinem vergleichsweise bescheidenen Ölsegen sind es 36 Prozent. Dafür ist dort, im Gegensatz zur Herrscherfamilie der Khalifa, die Mehrheit der Bevölkerung schiitisch, wie ebenfalls die große Mehrheit in der benachbarten saudischen Region Hasa, deren angestammte Bevölkerung historisch engere Bindungen zum Südirak hat, den Kernlanden der schiitischen Araber, die auch in Khusistan, Irans Grenzprovinz am Golf, die Mehrheit stellen.
Nebst dem Asir sind die Schiiten Hasas der zweite Stachel im Fleisch der wahhabitischen Unitarier Saudi-Arabiens und ein Herd latenter Spannungen bis heute, ausgerechnet auf dem Boden, unter dem nahezu das ganze saudische Öl konzentriert ist. Bei den kleineren Nachbarn am Golf hängt nur in Katar ein nennenswerter Bevölkerungsanteil dem wahhabitischen Bekenntnis an. In Kuwait und den Emiraten wie auch in Oman ist die Religion der großen Mehrheit ein moderater sunnitischer Islam. Schon die geografische Distanz ist groß: von Riad nach Abu Dhabi 800 Kilometer in der Luftlinie, so weit wie von der saudi-arabischen Hauptstadt ans Rote Meer. Die Nomaden des Nejd sind den maritimen Nachbarn in der Geschichte nicht oft zu nahe gekommen, und auch Ibn Saud gab sich mit den Küsten nördlich Katars und deren Ölquellen zufrieden.
Das Verhältnis des saudischen Herrscherhauses zu den Briten allerdings war zeit deren Präsenz auf der Halbinsel nicht zu reparieren. Daran vermochte auch die denkwürdige Verkehrung der Allianzen im jemenitischen Bürgerkrieg (1962-1969) nichts zu ändern, in dem die Briten für die von den Saudi finanzier- ten aufständischen Stämme Partei ergriffen, wogegen Kennedy das von Nasser unterstützte Militärregime in Sanaa anerkannte und der Republik Nordjemen dadurch den Weg in die UNO ebnete. Im Südosten, im Grenzdreieck Saudi-Arabien-Oman-Abu Dhabi, blieb der Oasenstreifen von Buraimi noch unter Ibn Sauds ersten beiden Nachfolgern Saud ibn Abdulaziz und Feisal umstritten, und erst der Abzug der Briten von der Halbinsel – aus Kuwait 1961, aus Aden und den südarabischen Protektoraten 1967, aus Bahrain, Katar, und den übrigen Golfscheichtümern 1971 – erlaubte eine Regelung. 1974 trat Scheich Zayed von Abu Dhabi große Teile des Gebiets an Saudi-Arabien ab. Der Staatschef der Vereinigten Arabischen Emirate habe dabei Riad ein Stück omanischen Landes überlassen, lautete die Auffassung von Sultan Qabus in Maskat. Die kleinen Nachbarn am Golf sollten bis zum Jahr 2000 warten, bis der Verlauf ihrer Grenzen zu Saudi-Arabien vertraglich bereinigt war, genauso Jemen.
Mit den Nachbarn in Südarabien konnte es das Herrscherhaus in Riad nie gut meinen. Nach dem Militärputsch vom September 1962, der eine Woche auf den Tod des jemenitischen Monarchen Yahya folgte, unterstützte Saudi-Arabien die exilierten Royalisten und die für sie kämpfenden Bergstämme des Nordens gegen die republikanische Armee, an deren Seite zeitweilig bis zu 70 000 ägyptische Soldaten kämpften. 1968, kurz vor dem Ende des äußerst blutigen Bürgerkriegs, hatte der Abzug der Briten im Süden einen zweiten jemenitischen Staat entstehen lassen, und in der Folge ließen die Saudi nichts unversucht, die beiden Staaten gegeneinander auszuspielen. Dabei scheuten sie – immer auf dem heiligsten Boden der Halbinsel – selbst den Umgang mit moskautreuen Kommunisten nicht. In der Republik Nordjemen währenddessen kontrollierte die Zentralgewalt noch fünfzehn Jahre nach Kriegsende vielleicht vierzig Prozent des Staatsgebiets. Insubordination ging noch immer mit der Hoffnung auf saudische Prämien einher. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs suchten die Saudi die Vereinigung der beiden Jemen und die ersten Wahlen zu einer nationalen Abgeordnetenversammlung zu hintertreiben.
In der Zwischenzeit hatten sich im Boom der siebziger und achtziger Jahre Millionen von Jemeniten in Saudi-Arabien verdingt, vorwiegend als Bauarbeiter – Heerscharen, die nach Bedarf und Belieben aufgestockt oder wiederum nach Hause geschickt wurden. Zeitweilig bis zu vierzig Prozent der männlichen Bevölkerung des damaligen Nordjemen verdienten ihr Geld im reichen Nachbarland und in den kleineren arabischen Golfstaaten. Die Saudi, die sich ihren auswärtigen Arbeitskräften gegenüber in der Regel nicht als Wohltäter auszeichnen, wissen, weshalb Jemen sich während des Golfkriegs nicht in die große Koalition gegen Saddam Hussein einreihen mochte, sondern sich abseits hielt. In Südarabien hatte Saddams Überfall auf Kuwait zu viel Applaus geerntet, als dass die Regierung auf die Linie Riads hätte einschwenken können. Zur Strafe hatten Hunderttausende von jemenitischen Fremdarbeitern von einem Tag auf den anderen Saudi- Arabien zu verlassen.
Vom Sudan abgesehen, ist Jemen mit großem Abstand das ärmste arabische Land. Das Bruttosozialprodukt pro Kopf lag nach den letzten Zahlen von 1999 bei 360 Dollar, wenig mehr als ein Viertel des ägyptischen, wenig mehr als ein Zwanzigstel des saudi-arabischen, das seinerseits seit dem Höhepunkt des Ölbooms von 1980 auf ein Drittel geschrumpft ist. Doch auch von solch unerhörten Diskrepanzen abgesehen bietet Jemens Geschichte reichlich Stoff für Revanchegelüste Saudi-Arabien gegenüber. (Die Staatsgewalt in Sanaa hatte sich denn auch seit dem 11. September 2001 Zeit zu nehmen, bevor sie sich für die Koranschulen auf jemenitischem Boden interessierte, durch die bekanntermaßen Kader von al-Qaida gegangen sind.)
Das Königreich der Familie Saud, derzeit die arabische Führungsmacht östlich von Suez, ist alles andere als ein natürlicher regionaler Hegemon – trotz des runden Viertels an bekannten Erdölweltreserven, die unter seinem Boden lagern. So viel macht der flüchtigste Blick auf die Geschichte des Mittleren Ostens klar. Doch auch zu Hause auf der Arabischen Halbinsel sieht sich das Land unter strategischen Gesichtspunkten in einer prekären Lage. Im Norden der Hammer Irak, im Süden der Amboss Jemen, Grenzen, die größtenteils kaum zu verteidigen wären, eine Armee, die höchstenfalls dem eigenen Herrscherhaus Angst einflößen kann, eine Staatsführung mit denkbar brüchiger Legitimation, deren Garant, die sklerotische Geistlichkeit, weit weniger für Stabilität als für politische Lähmung sorgt. Der Reichtum, mit dem äußere und innere Bedrohungen sich bisher neutralisieren ließen, hat langfristig keine Sicherheit zu bieten, kann im Gegenteil nur Aggressorenträume nähren und im Inneren die Erbitterung von Dissidenten und von diskriminierten Minderheiten in Randregionen. Im Ernstfall bleibt einzig die Schutzmacht USA – kein Wunder, wird sie nicht geliebt. ·