Darfur – Genozid – Weltpolitik

Von Georg Brunold, Nairobi (WORLDMUSIC, © Tages-Anzeiger 03.02.2005)

Während das vom sudanesischen Staat verschuldete Massensterben in Darfur aus dem Nachrichtenstau des Tsunami wieder ans Licht gefunden hat, vermochten auch die Mühlen der internationalen Diplomatie mit ihrem permanenten afrikanischen Sonderpensum wieder Sendezeit zurückzuerobern. Von den Weltmedien dagegen weit gehend unbemerkt, hat derweil auch der iranische Präsident Mohammed Khatami ein Drittel des vergangenen Monats auf dem Schwarzen Kontinent zugebracht und von dessen 53 Staaten sieben einen Besuch abgestattet.

Auf der Bühne seines Heimatlandes ist Khatami zwar als Reformer bekannt und im World Development Report der Uno, Ausgabe 2002, ist ein Grundsatzbeitrag von ihm abgedruckt unter dem Titel Die Zukunft der Welt gehört der Demokratie. In Afrika aber verpasste Khatami bei keiner Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass sämtliche Krisen des Kontinents von «gewissen Grossmächten» gemacht seien, die «die Kraft und das Potenzial der Entwicklungsländer vergeuden».

Im Übrigen lobte er in Harare die Landreform Robert Mugabes, die mit der Enteignung der weissen Farmer Zimbabwes Landwirtschaft in den Ruin führte. Den verkalkten Despoten mit dem Hitler-Schnäuzchen pries er als «einen der grossen Führer», der «den Menschen Afrikas und aller Länder geholfen hat, sich vom Joch des Imperialismus zu befreien». In Afrikas Kampf gegen die Armut komme Zimbabwe eine Schlüsselrolle zu.

Mugabe im Gegenzug bekräftigte, dass der Iran ein massgeblicher Partner in seiner neuen Politik sei, mit der er unter der Losung «Look east!» dem Westen den Rücken kehrte. Solche Neigungen in den internationalen Beziehungen wundern niemand: Im illustren Verein der «Aussenposten der Tyrannei», dem die designierte US-Aussenministerin Condoleezza Rice die beiden Staaten mit Weissrussland, Kuba, Burma und Nordkorea zugewiesen hat, ist dieser freundschaftliche Umgang oder jedenfalls dieser Ton die Regel.

Doch Khatami war nicht nur in Zimbabwe, sondern auch in Senegal, Mali, Sierra Leone, Benin, Nigeria und Uganda ein selbst im behutsameren Fall sehr höflich willkommen geheissener Gast. Der Iran und Senegal teilten ihre Auffassungen im Kampf gegen den Terrorismus, sagte in Dakar Präsident Abdoulaye Wade, Freund Bushs und Afrikas altgediente Stimme in der Liberalen Internationalen. Weiter rühmte er die Teheraner Führung für die guten Noten, die sie von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) erhalten hat.

In Bamako feierte «L'Essor», das Blatt der demokratischen Regierung Malis, den «historischen Höhepunkt einer alten Freundschaft». In den Fällen Senegals und Malis wie auch in Sierra Leone ist die Religion ein verbindendes Element: Im muslimischen Westafrika hat sich die Islamische Republik seit Ayatollah Khomeini im Vergleich mit den arabischen Glaubensgefährten stets als der grosszügigere Partner gezeigt.

Wie aber wurde Khatami in seiner letzten Station empfangen, in Kampala, der Hauptstadt des ugandischen Präsidenten und Lieblings des Westens, Yoweri Museveni? «Während die Vereinigten Staaten gegen den Iran mobilmachen», so schrieb dort die Regierungszeitung «New Vision», und während «die Neo-Cons im Pentagon einem Angriff auf den Iran entgegenfiebern», sei es «lebenswichtig, dass alle rechtdenkenden Nationen aufstehen und gezählt werden». Es sei hohe Zeit, «gegen eine neue globale Hegemonie eine neue globale Koalition» zu schmieden. In der Wahl zwischen Bushs Doktrin der «Achse des Bösen» und Khomeinis Fluch gegen den «grossen Satan» sind derzeit in Afrika politische Führerfiguren, die dem Weissen Haus zuneigen, äusserst rar. Die zehntägige Tour Khatamis durch sieben afrikanische Hauptstädte machte das deutlich. Von den Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Darfur sprach bei dieser Gelegenheit niemand.