Auf Kenias Liegenschaftenmarkt

Kolumne erschienen in der «Basler Zeitung», 14.09.2012

Wir verkaufen unser Haus in Nairobi. Wie tut man das? Es sind Heerscharen von Agenten unterwegs, und bald bringen wir mehr von ihrer Unumgänglichkeit in Erfahrung – in beiderlei Wortsinn: Es gibt keine Möglichkeit, ihnen auszuweichen, und nicht in jedem Fall sind sie besonders umgänglich. Kaufen kann man ohne Agenten, und vor acht Jahren habe ich das getan, nachdem ich binnen Jahresfrist rund 70 Liegenschaften angeschaut hatte. Aber verkaufen ohne Agenten geht nicht.

Wendet man sich also besser von Anfang an an einen von ihnen? Bloss, an welchen, wenn man nicht einen oder mehrere seit langen Jahren kennt? Die grossen Maklerfirmen sind mit Grossüberbauungsprojekten ausgelastet und haben für solch individuelles Kleingemüse wenig Zeit, stellen für den Fall deshalb höchstens einen Nachwuchsmitarbeiter an. Feierabends und am Wochenende ist dieser freischaffend unterwegs, und er denkt nicht daran, die drei Prozent Kommission der Firma zu überlassen. Statt seinesgleichen direkt aufzusuchen, mithilfe des Telefonbuchs oder der schwarzen Bretter in den Einkaufszentren, kann man ihren zuverlässigen Hausbesuch abwarten. Man setzt an diesen Brettern oder in der Zeitung eine Annonce auf, und ab dem nächsten Tag fühlt man sich wie eine Glühbirne, die in der pechschwarzen Tropennacht nichts als die Mückenschwärme erhellt. Um Gefahren vorzubeugen, dass man sie abzuwimmeln sucht, geben sich die einen in eigener Person als hochinteressierte Käufer aus.

Den gewünschten Preis hat man in die Annonce geschrieben. Doch ihre Kundschaft bedienen die Agenten nun mit ihren eigenen Vorstellungen, meist weit darüber, wovon sie dann ein Fünftel in die eigene Tasche abzuzweigen hoffen.

Zunächst setzen sie alles daran, einen vorläufig stillzustellen, um auf ihrer Kundensuche Zeit zu gewinnen.

So kanns losgehen. Am ersten Tag, ein Dienstag, kommt, in Begleitung seines Agenten und seines Anwalts, Mr. Gatundu Muli. Er will das Geschäft noch in derselben Woche abgewickelt haben und bar bezahlen. Er riecht förmlich nach Drogenbaron von der kenianischen Küste. Ich erhöhe den Preis um 60 000 Schweizer Franken, und zwar der Eile halber, wie ich ihm erkläre, wogegen er nichts einzuwenden hat. Ich möchte aber unser Familienheim nicht einem somalischen Piratensyndikat verkaufen – aber wenn schon, dann doch noch lieber als an einen Drogenbaron, was ich Mr. Gatundu Muli auch sage, der darauf grölend in das Lachen seines Advokaten einstimmt.

Tags darauf suche ich einen von Nairobis Staranwälten auf, nicht als Mandant mit einem vereinbarten Termin, sondern unangemeldet und auch ganz formlos als ein guter Bekannter seit bald 20 Jahren und als Journalist, wodurch er sich stets geehrt gezeigt hat. Ich hoffe bloss, Sie haben nichts unterschrieben, stösst er, mit einem Gesichtsausdruck weniger von Besorgnis als von Ekel, hervor. Eine Unterschrift, lerne ich wieder einmal, kann einen hier nicht nur um Hab und Gut, sondern um Leib und Seele bringen. Eine unterschriebene Offerte oder gar etwas Vorvertragsartiges wird auf einem Dutzend Privatbanken zur Beschaffung missbraucht, zu welcherart Verwendung auch immer, und will einer, da in der Folge gar nichts vorwärtsgeht, von der Vereinbarung zurücktreten, verbringt er die nächsten 15 Jahre vor einem Gericht, das hier wenig kostet, dafür aber desto länger sitzt.

Bar will er bezahlen? Fragen Sie Ihre Bank, ob sie dieses Geld aus seinem Koffer annimmt. Es kommt tonnenweise Bargeld ins Land, aus ostkongolesischen Goldminen, von der somalischen Küste, aus dem Südsudan, woher Sie wollen.

Inspiriert durch ein Gespräch mit dem Schweizer Botschafter, entwerfe ich ein Verfahren zur Sicherung der Transaktion: Der Käufer eröffnet auf meiner Bank ein Konto unter seinem eigenen Namen und deponiert darauf die gesamte Summe des Kaufpreises. Die Bank bestätigt den Eingang, und mit dem Käufer unterschreibe ich den Deal in den Räumen der Bank, die simultan sein Konto sperrt.

Ist das Ministry of Lands mit den Papieren durch, transferiert die Bank das Geld auf mein Konto. Ist der Besitztitel des Käufers in der vereinbarten Frist nicht bereit, wird sein Konto wieder entsperrt.

«Was die Reinlichkeit des Geldes angeht», meint der Botschafter, «kann man die Verantwortung nur den Banken überlassen. Kein anständiger Kenianer wird auf absehbare Zeit eine Liegenschaft vom Wert der ihren kaufen können. Glauben Sie, wenn Sie Ihr Anwesen einem kenianischen Member of Parliament verkaufen, ist das der kleinere Schurke als der somalische Pirat?»

Mein Anwalt teilt meine Vorschläge zum Transaktionsverfahren dem Anwalt von Mr. Gatundu Muli mit, worauf von dieser Seite kein weiteres Wort zu hören ist. Und seither zirkulieren die Interessenten Tag für Tag durch unser Anwesen und überbieten sich wechselseitig, alle unerschütterlich zum Kauf entschlossen – um mich stillzustellen. Die einen von ihnen lerne ich etwas besser kennen, und auf entsprechende weitere Schulung hoffe ich.

Ich könnte nicht behaupten, dass das alles ganz entspannt vonstattengeht. Den auf den März 2013 anberaumten Wahlen müssen wir mit unserem Deal nicht unbedingt näherkommen, denn in den pekuniären Überschlägen der Kampagne wird der kenianische Shilling unfehlbar empfindlich leiden.

Wie war das mit dem Spatzen in der Hand und der Taube auf dem Dach?

Beim Preis zurückstecken oder ausharren, bis der zahlungskräftige kenianische Engel auftritt?

Viele grössere Entscheidungen im Leben, nicht nur zu Eheschliessungen, fallen einfach durch Erschöpfung. Und versagende Nerven.